Genossenschaftliches Wohnen im Parkhaus
Auszüge aus dem Porträt über Daria Patlai von Juliane Pauline Behnert
[…] wenige Tage vor Weihnachten: Daria wirkt etwas erschöpft, als sie sich an einer der langen Tischreihen in dem Falafellokal im Schanzenviertel fallen lässt. Der weitläufige Raum wird von goldenen Kronleuchtern erhellt. Das Ambiente würde an einen orientalischen Marktplatz erinnern, wäre es nicht so menschenleer und ruhig. Daria bestellt einen frischen Pfefferminztee und entschuldigt sich für die Verspätung. Sie macht einen selbstbewussten Eindruck, Auftreten wie Aussehen sind natürlich und ungeschminkt. Daria Patlai wurde am 30. September 1991 in Kyjiw geboren. Dass sie in den Gröninger Hof einziehen wird, hat auch etwas mit dem russischen Angriffskrieg zu tun. Die junge Frau beginnt ihre Geschichte an der dunkelsten Episode, war diese doch Anlass für ihren umfangreichen Neuanfang. Beim Reden fallen Daria die braunen, kinnlangen Haare ins Gesicht und die eleganten Silberohrringe schwingen bei jeder Bewegung munter mit.
„Eine Lebenssituation, die ich niemandem wünschen würde“
Ein Besuch in der Ukraine im September 2021, rund vier Monate vor der Invasion russischer Truppen, gab schließlich den Ausschlag für die Beteiligung an der Genossenschaft. Einen unausgefüllten Antrag habe es schon lange vorher gegeben. Doch erst die intensiven Gespräche mit den Eltern und die Aussicht auf einen drohenden Krieg führten zum Hinterfragen der eigenen Lebenssituation und dem Wunsch, endlich etwas zu ändern. Die Perspektive, zukünftig Teil einer solidarischen Gemeinschaft zu sein, sei eine starke psychologische Stütze gewesen, berichtet die Architektin lächelnd. Im Frühjahr 2022 ist Daria unterwegs, um ihre Großmütter und Eltern von der ukrainischen Grenze abzuholen. Ihr Bruder samt Familie bleibt. Auf dem Weg zum Flughafen klingelt ihr Mobiltelefon. Dorothea Heintze, ehemalige Vorständin der Genossenschaft, bekundet im Namen aller Mitglieder ihr Mitgefühl und die Bereitschaft zur Unterstützung. „Das werde ich nie vergessen“, erzählt die junge Frau sichtlich berührt und ergänzt: „Ich wusste einfach, ich bin hier nicht alleine“. Die Erlebnisse gibt sie in einer Art Monolog wieder. Ihr Blick ruht dabei irgendwo in der Ferne. Es gebe immer zwei Seiten einer Medaille, führt Daria überraschend fröhlich fort. Manchmal passiere etwas sehr Schlimmes, aber dann sei da auch immer etwas sehr Schönes, wie beispielsweise Menschen, die unverhofft für einen da sind.
[…] Die schwere Krise in der Heimat und der einsetzende Wandel ihrer eigenen Prioritäten ließen sie jedoch zweifeln. Nicht an dem Projekt, wohl aber an ihrem einstigen Traumberuf. Natürlich sei es emotional schwierig gewesen, die Architektur und Stadtplanung nach 15 Jahren hinter sich zu lassen, erzählt sie offen und fischt dabei ein Pfefferminzblatt aus ihrer Teetasse. Bereits im Alter von 14 Jahren begann Daria mit den Bemühungen für das Architekturstudium: Zeichenprüfungen und Vorbereitungskurse in Mathematik und technischer Sprache. Die Zeit an der Universität in Kyjiw empfand sie als inspirierend und nahezu romantisch. Mit 21 wanderte die neugierige Bachelorabsolventin nach Deutschland aus. Zu Beginn prägten Deutschkurse und Praktika ihren Alltag. Ein Jahr später folgte das Masterstudium Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart. Über ihre damalige Professorin Antje Stokman habe sie zum ersten Mal von dem Projekt Gröninger Hof gehört. Zufällig zog es beide Frauen zeitgleich nach Hamburg. Daria arbeitete für diverse Planungsbüros und landet schließlich im Bereich Stadtentwicklung. Die langwierigen, teils undurchschaubaren Prozesse und eine Entwicklung des Berufsstandes von der Kunst zur Dienstleistung ließen kaum Raum für Idealismus und den Glauben daran, noch etwas Schönes und wirklich Sinnvolles planen zu können. Und so folgte der Bruch mit der Architektur und die Suche nach etwas Neuem.